Bericht von der Jahrestagung der deutschen Sektion des Weltklimarats
Ein kleines, unscheinbares Schild im Eingang der Berliner Veranstaltungsstätte „Urania“ weist den Weg „Deutsche IPCC-Jahrestagung 2024“. Das Gebäude ist eingehüllt mit Gerüsten, wirkt baufällig, wie ein Sinnbild des Zustands der deutschen Klimapolitik. Hier tagt die deutsche Sektion dessen, was gemeinhin als „Weltklimarat“ bekannt ist. Das Gremium, das mit seinen Berichten die wissenschaftliche Grundlage für die Verhandlungen über globale Klimapolitik im Rahmen der Vereinten Nationen liefert. Einmal im Jahr treffen sich die Staaten der Welt auf den Weltklimagipfeln, um über den Stand des Kampfes gegen die Klimakrise und die weiteren Schritte zu beraten. Der IPCC ist sowas wie der Rufer in der Wüste, der immer wieder zu entschiedenem Handeln aufruft. In diesem Jahr hatte ich das Privileg, als stellvertretender Parteivorsitzender zu Gast bei der Jahrestagung zu sein und an den Vorträgen, Arbeitsgruppen und Gesprächen der Klimawissenschaftler*innen teilhaben zu können, auch hier und da die Sicht unserer Partei darstellen zu können.
Auch 2023 war ein Jahr mit Rekordtemperaturen, und wir erleben, dass noch die pessimistischsten Szenarien, die der IPCC aufgestellt hat, übertroffen werden, während weltweit nicht das getan wird, was notwendig ist. Nachdem der Verkehrsbereich in Deutschland drei Jahre in Folge seine Ziele verfehlt hat, wird da nicht etwa nachgeschärft und Herr Wissing in die Pflicht genommen, sondern einfach von SPD, Grünen und FDP das Klimaschutzgesetz geschliffen und die Ziele für die einzelnen Bereiche abgeschafft.
Entsprechend gedrückt war die Grundstimmung der meisten Teilnehmer*innen. Im Auftakt-Vortrag wurde auf die Erfolge des IPCC verwiesen, aber mit einem eher ernüchternden Fazit: Wenn auch immer noch eine Lücke zwischen der realen Klimapolitik der Staaten und den Notwendigkeiten bestehe, so sei doch das Verdient des IPCC, in der Politik das Bewusstsein über diese Umsetzungslücke geschaffen zu haben.
Der Weltklimarat bereitet momentan den Sachstandsbericht für den Weltklimagipfel 2028 vor. Angesichts der dramatischen Lage war bei der Jahrestagung auch Thema, ob man nicht zwischendrin in kürzeren Abständen über die aktuellen Entwicklungen berichten müsse. Es war die Rede etwa davon, dass man mittlerweile davon ausgehe, dass der Anstieg des Meeresspiegels wesentlich drastischer ausfallen werde, als in bisherigen Szenarien. Auch die Gefahr, dass die Nord-Atlantische Umwälzpumpe (Amoc), die kaltes Wasser aus dem Norden abtransportiert, im Süden für kühlere Temperaturen sorgt und gerade in Europa für Klimatische Verhältnisse sorgt, die bspw. Landwirtschaft ermöglichen, müsste öffentlich eigentlich schon vor 2028 breiter diskutiert werden.
Theoretisch müsse der Höhepunkt der globalen Emissionen 2025 erfolgen, also im nächsten Jahr, danach drastisch gesenkt werden. Deutschland hat bereits in diesem Frühjahr sein CO2-Budget überschritten, das wir für eine Begrenzung auf 1,5 Grad hätten einhalten müssen. Und selbst eine Begrenzung auf 1,5 Grad würde verheerende Konsequenzen bedeuten, über Jahrzehnte. Doch die Welt steuert auf viel schlimmere Szenarien zu, ein Schliessen der beschriebenen „Umsetzungslücke“ ist nicht absehbar.
Da der IPCC auch einen „Sonderbericht Städte“ vorbereitet, war auch die Frage, wie man Städte klimaneutral und vor allem widerstandsfähig bekommt für die unabwendbaren Folgen der Klimakrise. Dabei ging es auch um die Frage sozialer Ungleichheit in den Städten, die nicht nur dazu führe, dass die Verantwortung für die Erderhitzung ungleich verteilt ist, sondern auch Menschen mit wenig Geld wesentlich stärker betroffen sind von den Auswirkungen der Klimakrise, in nahezu allen Belangen. Deshalb dürfe die „Lösung“ nicht lauten: Der globale Süden bleibt arm, die nördlichen Staaten bleiben reich und dominierend und die Verteilung von Energie und Wohlstand bleibt unangetastet. Die Bekämpfung von Ungleichheit müsse Teil des Kampfes gegen die Klimakatastrophe sein.
Es war beeindruckend, alle diese Menschen zu sehen, die mit ihrer Wissenschaft jeden Tag das Wissen erweitern um die Klimakrise und die Notwendigkeit entschiedenen Handelns immer wieder aufs Neue betonen. Ja, es gibt eine Frustration darüber, dass die Wissenschaft nicht ausreichend gehört wird, zu wenig getan wird, aber statt den Kopf in den Sand zu stecken war gerade in der Schlussdebatte deutlich, dass eine Antwort seine müsse, mit der Legitimation der Wissenschaft viel stärker auch auf politisches Handeln zu drängen, ob im Rahmen des IPCC oder als einzelne Wissenschaftler*innen, die im IPCC arbeiten und sich öffentlich äußern. Es sei eine „revolutionäre Herausforderung“ für die Klimawissenschaft, politisch von der Position der Wissenschaft aus zu intervenieren. Ich hoffe sehr, dass diese Debatte im IPCC fortgesetzt wird und die wichtige Stimme der Klimawissenschaft noch viel stärker in der Politik ankommt.