In Verteidigung der LINKEN

Warum wir gerade jetzt um eine starke, plurale und emanzipatorische LINKE kämpfen und uns daran erinnern müssen, warum wir diese Partei gegründet haben und diese Gesellschaft uns braucht.

„Gemeinsam wollen wir eine Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht gab –
Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal,
offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch,
eine konsequente Friedenspolitik verfolgend.“
Programmatische Eckpunkte DIE LINKE, 2007.

 

Hatte sich unsere Partei durch die Herbstkampagne und die sozialen Proteste stabilisiert, stiegen die Mitgliedszahlen leicht, so erlebt sie seit der Rede von Sahra Wagenknecht für die Linksfraktion am 8.9. eine massive Austrittswelle. Aktuelle Zahlen zeigen, dass mehr Genoss*innen die Partei seit ihren Aussagen zu Ukraine und Wirtschaftskrieg verlassen als eintreten. Für Viele von uns war die Rede der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich kann das verstehen, und dennoch oder besser: gerade deshalb bitte ich alle, die mit dem Gedanken spielen auszutreten, in der Partei zu bleiben. Wir brauchen gerade jetzt unsere Partei und sollten uns daran erinnern, warum wir 2007 eine bundesweite LINKE gegründet haben. Ich möchte Euch begründen, warum ich das denke und gemeinsam mit Euch um diese Partei kämpfen werde:

Die Rede von Sahra und ihre TV-Auftritte führen zu einem nie gesehenen Mitglieder-Exodus. Ich habe mir die Austrittsgründe angesehen, und die erdrückende Mehrheit gibt an, dass sie keine Kraft mehr hätten, für die demokratisch beschlossenen Positionen der Partei zu kämpfen. Leider hat Sahra Wagenknecht der Partei in den letzten Jahren so schweren Schaden zugefügt wie niemand anders. Sei es mit ihren Positionen zur Migration, zu Corona/Impfen, mit dem Versuch der Gründung einer konkurrierenden Partei („Aufstehen“), dem Schüren von Ressentiments gegen „skurrile“ Minderheiten, der Diffamierung von Gleichstellung als „Genderzwang“, der Stellungnahme gegen die soziale Bewegung „unteilbar“ oder mit Fake News über Klimapolitik. Immer hat sie sich öffentlich gegen die demokratisch gefassten Beschlüsse der Partei gestellt, jede interne Diskussion verweigert.

Aus meiner Sicht stehen wir vor der Frage, was wir für eine Partei sein wollen: Eine autoritäre LINKE oder eine plurale und demokratische LINKE, die gemeinsam um Positionen ringt, aber diese dann auch nach außen vertritt. Als Partei haben wir diese Frage längst für uns entschieden, das hat der letzte Parteitag gezeigt. Gerade deshalb heißt es, langen Atem zu haben und jetzt um diese Partei zu kämpfen. 7 Gründe:

  1. Wir wollen die Partei verteidigen, gegründet als plurales Projekt mit klarem links-emanzipatorisch-sozialem Anspruch, die weder Themen (Ökologie/Soziales, Krieg/Frieden) noch Gesellschaftsgruppen (Arbeiter*innen, Angestellte, LGBTQ+, Geflüchtete, Migrant*innen, Ost/West, Stadt/Land) gegeneinander auszuspielt.
  2. Die demokratischen Beschlüsse dafür gelten, Sahra und co. machen systematisch das Gegenteil. Sahras Rede hatte den Effekt, dass emanzipatorische Stimmen aus der Partei getrieben werden sollen, indem die Programmatik, auch des letzten Parteitags, wiederholt bewusst und medienwirksam gebrochen wird. Das dürfen wir nicht zulassen.
  3. In dieser Phase braucht es uns als loyale Genoss*innen in der Partei statt Austritte: Die Erklärung der Linksfraktion, dass sie sich zukünftig an ihre Geschäftsordnung halten will, ist dem enormen Druck der großen Mehrheit aus Mitgliedschaft, Landesverbänden, Parteivorstand und Fraktionsmitgliedern zu verdanken. Es war ein wichtiger Schritt der Stärkung der Partei. Das zeigt: Nur gemeinsam verteidigen wir den Parteikonsens.
  4. Wir haben einen Parteivorstand, der klar Position bezieht für unteilbare Solidarität und mit Janine und Martin zwei Vorsitzende, die immer wieder öffentlich dafür einstehen. Überall in der Mitgliedschaft wird gerungen, die Partei zu stärken, unsere beschlossenen Positionen nach außen zu tragen. Als Partei-Vize erlebe ich eine lebendige Partei, deren Mitglieder mit gemeinsamen Inhalten wahrgenommen werden wollen, die Konflikte fair austragen, die nach gefassten Beschlüssen gemeinsam handeln, statt diese nicht anzuerkennen oder offen zu bekämpfen.
  5. In Deutschland, das gesellschaftlich immer weiter auseinanderbricht, brauchen wir eine Mitgliederpartei, die denen eine Stimme gibt, die von den Herrschenden nicht gehört werden. Die Kämpfe gegen Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung aufgreift, auf Straße und ins Parlament trägt, die eine klare Kraft gegen neoliberale Verheerungen und gegen Rechtsruck gleichermaßen ist. Diese Partei zu sein, dafür sind wir 2007 angetreten.
  6. Wir erleben viele Krisen, die ineinander greifen: Corona, Klimakatastrophe, Putins Krieg gegen die Ukraine, Aufrüstung, Konflikte zwischen den kapitalistischen Machtzentren, Energiepreiskrise, Verarmung. Das trifft auch uns und unsere Mitglieder. Viele machen sich Sorgen, auch wie sie ihre Familie über den Winter bringen. Falsch ist es, vernünftige linke Positionen für einen irrationalen Populismus über Bord zu werfen. Wir haben gute Beschlüsse, eine gute Kampagne, die soziale und ökologische Antworten gibt.
  7. Wir verbinden unsere Antworten auf die Krisen miteinander statt sie gegeneinander auszuspielen. Unser gemeinsames Ziel bleibt eine gerechte, solidarische Gesellschaft für alle mit guter Arbeit und Löhnen. Wir wollen die Klimakatastrophe stoppen, ohne dass sich die Reichen rauskaufen können. Wir halten am Ziel einer globalen Friedensordnung fest. Friedenspolitik heißt auch, nicht mit zweierlei Maß zu messen. Menschenrechte sind unteilbar. Wir treten Rassismus, Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit jeder Art entgegen und treten für Freiheit und den Schutz von Minderheitenrechten ein. Unsere Politik ist internationalistisch und stellt sich jeder nationalistischen Borniertheit entgegen.

Genau diese Partei will die übergroße Mehrheit unserer Mitgliedschaft. Mit vielen tollen Genoss*innen habe ich 2007 diese Partei mitgegründet. Gemeinsam mit Euch werde ich um sie und unseren Gründungskonsens kämpfen. Ich lade alle ein, die meinen, dass es so eine Partei braucht, jetzt einzutreten und das linke Programm zu verteidigen. Ich bitte alle, die mit dem Gedanken spielen zu gehen, zu bleiben. Sucht das Gespräch mit uns, ladet die Mitglieder des Parteivorstands zu Euch in die Kreisverbände, in die Basisgruppen ein, lasst uns streiten, diskutieren und uns auf das besinnen, wofür wir gemeinsam kämpfen. Und schreibt uns, schreibt dem Fraktionsvorstand unserer Bundestagsfraktion, was Euch auf dem Herzen liegt, was besser und wie es besser werden kann.

Wir sind nur gemeinsam stark als DIE LINKE. Lasst uns gemeinsam um diese emanzipatorische Kraft kämpfen, die in den sozialen und ökologischen Kämpfen klar Position bezieht und so dringend gebraucht wird!

Herzliche und solidarische Grüße

Euer Lorenz Gösta Beutin

Stellvertretender Parteivorsitzender DIE LINKE.