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Jahresrückblick Teil 3

Erinnert Ihr Euch noch ans Frühjahr? Da wären über 1000 Tote an einem Tag unvorstellbar gewesen, jetzt habe ich ein wenig den Eindruck, es wird zu gleichgültig hingenommen. Dabei stehen dahinter Schicksale von Menschen, die isoliert von ihren Familien einen grausamen Tod gestorben sind, Familien, die vielleicht ihre Liebsten vorher nicht noch einmal sehen konnten.

Gleich im Frühjahr, eigentlich kurz nachdem der erste Lockdown begann, ging es los mit Rufen nach Lockerungen. Die Bild-Zeitung machte eine Kampagne, in der Milliardäre erzählten, sie würden gerne zu Hause bleiben, wenn nur die Wirtschaft brummen würde. Und die AfD schwenkte um von Angriffen auf die Regierung, weil sie zu wenig getan hätte, auf Rufe nach Lockerungen bis dahin, dass sie im Plenum des Bundestags das Widerstandsrecht aus dem Grundgesetz bemühte. Die braun-blauen Faschisten hatten nach Euro-Angst und rassistischer Migrations-Hetze ein neues Feld gefunden.

Nicht dass die Regierung keine Fehler gemacht hätte, ganz im Gegenteil: Zwei-Klassen-Medizin, Pflegenotstand, die Misere unseres Gesundheitswesens, miserable Bezahlung der Menschen, die man im Frühjahr als „systemrelevant“ beklatschte, eine Politik, die Konzerne rettet, aber Kulturschaffende und Solo-Selbständige im Regen stehen lässt, all dies musste man anprangern, haben wir als Linksfraktion immer wieder aufgegriffen und soziale Alternativen benannt. Aber was die Faschisten im Parlament und die Nicht-Denker auf der Straße vereint, ist, dass es ihnen eben nicht um die realen Probleme geht, sondern um Ausgedachtes, darum, ihrer zynischen Weltsicht den Weg zu bereiten.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht – im Rückblick auf das Jahr habe ich selbst so viele gute Momente gesehen, aber das alles wird überlagert durch die Pandemie. Ich bin froh, dass bis jetzt unsere Familie nicht von Covid-19 betroffen ist, dass mein Vater im Frühjahr eine notwendige Operation hatte und es ihm jetzt besser geht, dass er einer derjenigen ist, die als erstes geimpft werden. Und ich hoffe sehr, dass 2021 wieder im eine Normalisierung im Hinblick unseres Umgangs miteinander stattfindet, dass die Pandemie endet.

Aber was wird bleiben? Im Frühjahr hatte ich gehofft, wie schon anlässlich der Finanzkrise vor etwas mehr als zehn Jahren, unsere Gesellschaft könnte gestärkt, solidarischer, demokratischer daraus hervorgehen, es könnte ein weiterer Sargnagel für den Neoliberalismus sein. Aber jetzt ist da eine Union mit einer Bundeskanzlerin, die sich dagegen sperrt, dass die Reichen zumindest ihren Beitrag zur Bezahlung der Krise leisten. Es zeichnet sich ab, dass es keinerlei Interesse von den Regierenden gibt, grundlegend etwas am Pflegenotstand oder der Zwei-Klassen-Medizin zu ändern. Und die Klimakrise läuft währenddessen munter weiter, was notwendig wäre, wird nicht getan, auch dass eine der Ursachen von Corona, des Überspringens vom Tier auf den Menschen, der Raubbau an der Natur, die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen ist, ist kaum im öffentlichen Bewusstsein. Kurz und gut: Es ist weiter an uns, einzutreten für eine andere, gerechte Welt, Alternativen zu Ausbeutung und Kapitalismus aufzuzeigen, aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun