Die heute veröffentlichte Studie von Fridays for Future Deutschland ist verdienstvoll. Aber im Vergleich zu Aktionsplan Klimagerechtigkeit der Linksfraktion im Bundestag gibt es Leerstellen gerade beim Thema sozial-ökologischer Umbau und der Frage der globalen Gerechtigkeit. Ich habe dazu in Kürze zehn Thesen zur Debatte aufgeschrieben:
1. Klimagerechtigkeit bedeutet, den globalen Süden im Blick zu haben. Nur mit globaler Gerechtigkeit und dem Ende (fossiler) Ausbeutung wird es was. Das hat auch die Oxfam-Studie zum Zusammenhang von Reichtum und Klimazerstörung eindringlich gezeigt.
2. Klimaschutz bedeutet, globale und auch in Deutschland für Gerechtigkeit zu sorgen. „Make the rich pay“ gilt nicht nur für Corona-, sondern auch Klimakrise. Wer nicht die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft angreift, wird bei Klimagerechtigkeit scheitern.
3. Rechnet man historisch, ist das deutsche CO2-Budget längst aufgebraucht. Kein Wunder, dass SPD und Union eine ehrliche Berechnung des Budgets verweigern, weil deutlich würde, wie absurd Klimaziele. Deshalb geht es in Deutschland nicht ohne globale Gerechtigkeit.
4. Was bei der Studie zu kurz kommt, ist die Handels- und Exportpolitik. Das bedeutet: Ungerechte Handelsverträge kündigen (Mercosur, Ceta), jegliche Exporte fossiler Technologie (etwa von Kohlekraftwerken) verbieten plus klimaschädliche Investitionen und Kredite kündigen.
5. Bei der Studie wird m.E. zuviel Vertrauen in CO2-Preis, zu wenig in Ordnungsrecht gesetzt. Beim Kohleausstieg ist ein Preis für den Stromsektor notwendig (mit entsprechenden Kompensationen), bei Verkehrswende und Wärme wären Gesetze und Regeln vordringlich plus Alternativen – etwa Warmmietenneutralität und verpflichtende Sanierungen (die in Studie und in unserem Aktionsplan benannt werden).
6. „Just Transition“, also Strukturwandel und soziale Sicherheit, fällt bei in der Studie als Stichwort, es wird aber zu wenig deutlich, wie das aussehen kann. Die Linksfraktion macht dafür im Aktionsplan Klimagerechtigkeit viele Vorschläge. Es geht im Kern um die soziale Frage. Hierauf braucht es Antworten, national und global.
7. Klimapolitik, die sagen will, „So Geht 1,5 Grad“ darf Klimaschutz nicht auf nationalen Rahmen begrenzen muss „system change, not climate change“ mitdenken. Wir brauchen eine Vorstellung einer solidarischen Gesellschaft und warum es nicht reicht, den Kapitalismus grün anzumalen.
8. Klimagerechtigkeit heißt internationale Solidarität: Die Klimakatastrophe beruht auf der Ausbeutung des globalen Südens und dem Reichtum kapitalistischer Zentren. Klimawandel bekämpfen heißt: gegen Fluchtursachen und Kriege sein. Klimagerechtigkeit heißt Antirassismus und „Leave No One Behind“.
9. Die Studie hat Leerstellen beim sozial-ökologischen Umbau und bei globaler Gerechtigkeit. Dafür ist sie bei Verkehrswende und beim Ausbau Erneuerbarer Energien ambitionierter als der Aktionsplan der Linksfraktion. Hier könnten wir als Linksfraktion nachbessern.
10. Es gibt Konzepte für eine Begrenzung auf 1,5 Grad. Die von FridaysForFuture vorgestellte Studie ist dafür ein wichtiger Baustein. Aber: Appelle an die Politik reichen nicht. „SoGeht1Komma5“ muss auch heißen, sich mit Reichen & Konzernen anlegen. Wir als Linke müssen in diesem Zusammenhang Klimagerechtigkeit als soziale Frage mit konkreten Alternativen in Bewegungen und Parlamenten füllen ✊
Nachtrag: In der Studie fehlt, anders als im Aktionsplan, komplett der Bereich Landwirtschaft und Ernährung, ohne dass begründet wird, warum. Aber ohne diese Bereiche wird die Begrenzung auf 1,5 Grad kaum möglich.