Bei der 25. Weltklimakonferenz in Madrid reisen diese Woche die Regierungsvertreter aus 197 Ländern an. Am Dienstag kommt auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Was ist von ihrem Auftritt auf dem Gipfel, der noch bis Ende der Woche andauert, zu erwarten?
Die Umweltministerin wird das sogenannte Klimapaket der Bundesregierung als Erfolg verkaufen und betonen, dass Deutschland »eine Vorreiterrolle« übernehmen würde. Dagegen kritisieren wir gemeinsam mit verschiedenen Organisationen: Es gibt viel zuwenig Klimaschutz, zudem sind geplante Maßnahmen sozial ungerecht. In dieser Woche fordern wir als Linksfraktion mit einem Antrag im Bundestag, dass die Regierung endlich offenlegen soll, auf welcher Grundlage sie ihre eigenen Klimaziele berechnet hat. Wissenschaftler sagen nämlich, dass diese Ziele einen Bruch des Pariser Abkommens darstellen.
Schulze sbehauptete unlängst, die SPD wolle weiterkommen, »als man mit der Union gehen« könne. Ist davon etwas zu merken?
Freilich gibt es im Umweltministerium im Vergleich zum CDU-geführten Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier ambitioniertere Vorstellungen. Insgesamt weist aber das Klimapaket der Bundesregierung mit seinen marktwirtschaftlichen Elementen wie dem CO2-Handel in die falsche Richtung. Mit solchen Ansätzen wird sich die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft weiter zuspitzen. Dagegen brauchen wir Klimaschutz per Ordnungsrecht in Verbindung mit einer Verkehrs-, Agrar- und Energiewende. Statt die Hauptlast auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen, muss sie von den großen Konzernen geschultert werden, die uns die Klimamisere beschert haben.
Was muss aus Sicht Ihrer Partei gegen die Klimaerwärmung beim Gipfel geleistet werden?
Wir fordern internationale Klimagerechtigkeit. Keineswegs tragen alle beim Gipfel anwesenden Staaten die gleiche historische Verantwortung für die fatalen Auswirkungen von Hitzesommern, Dürre, Starkregen, Überschwemmungen und anderen Zerstörungen. Nach den USA, China und der ehemaligen Sowjetunion hat kein Land soviel CO2 in die Luft gepustet wie Deutschland. Die Industriestaaten des kapitalistischen Zentrums haben den größten Anteil an Emissionen zu verantworten; die Länder des globalen Südens, die am meisten darunter leiden, dagegen deutlich weniger. Wir sehen es so, wie es Tenor bei der Großdemo am Freitag in Madrid war: Wir dürfen uns nicht auf die Mächtigen dieser Welt verlassen. Veränderung wird nur durch die Macht der Bevölkerung kommen.
Ist zu befürchten, dass in Madrid Regeln geschaffen werden, mit der sich Großindustrien aus der Verantwortung ziehen können?
In der Tat setzen die reichen Staaten auf eine Form des Ablasshandels für ihre Industrien: Wald pflanzen in Südamerika, aber zu Hause weiter verschmutzen. Statt sich mit Tricks und Kniffen ihre Leistung zur CO2-Reduktion schönzurechnen, müssen sie jetzt ihre Hausaufgaben erledigen und anderen Staaten helfen, den richtigen Weg zu finden. Aufforstungsmaßnahmen, Unterstützung bei erneuerbaren Energien oder Entwicklungshilfe einzelner Staaten auf ihr hiesiges CO2-Budget als Klimaschutz anzurechnen, ist eine Mogelpackung.
Werden hierzulande Klimakosten von den oberen Gesellschaftsschichten zu den unteren verlagert?
So läuft es zumindest mit dem Klimapaket. Die Preise für Heizöl und Sprit werden erhöht. Die Erhöhung der Pendlerpauschale führt dazu, Menschen mit kleinen Einkommen zu be- und Unternehmen zu entlasten. Auch wenn durch erneuerbare Energien in den letzten Jahrzehnten Milliarden Euro an Stromkosten eingespart wurden, bei den Privathaushalten kam das nicht an: Großkonzerne werden von Zulagen für erneuerbare Energien ausgenommen, Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt.
Gibt es trotzdem Hoffnung in bezug auf den Gipfel?
Es sieht eher danach aus, dass die Industrieländer sich wieder durchsetzen. Sie weigern sich etwa, für die Kosten schon entstandener Klimaschäden im Süden zu zahlen. Hoffnung macht, dass die Aufbruchstimmung von »Fridays for Future« und anderen Gruppen der Klimabewegung auch in Madrid zu spüren ist und immer lauter wird.