Ein Familienvater im Anzug errichtet mit einem vermummten Waldbesetzer eine Barikade, während seine Familie zuschaut. Als ich im letzten Herbst diese Szene gesehen habe, war mir klar: Was immer ihnen noch einfällt, RWE und Laschet haben den Kampf um den Hambi verloren, ihre Politik mag noch legal sein, hat aber jegliche Legitimität verloren. Dieser zivile Ungehorsam über Jahre hat den Boden bereitet für die Klimabewegung, die wir jetzt auf der Straße erleben.
Aber Straßen besetzen, das ginge nun wirklich zu weit, sei „unangemessen“, nicht zu tolerieren“ höre ich angesichts der Proteste von Extinction Rebellion. Genau darum geht es beim zivilen Ungehorsam, gezielt Regeln zu verletzen, Normalität zu durchbrechen, um auf einen Missstand aufmerksam zu machen. Das war in Wackersdorf genauso wie bei der Blockade des Naziaufmarsches in Dresden. Und angesichts der Klimakrise ist die Verletzung des Pariser Klimaabkommens mit Ansage durch diese Bundesregierung sicherlich einer der besten Gründe, die sich finden ließen.
Als Parlamentarischer Beobachter war ich mehrmals bei Ende Gelände und im Hambi unterwegs, bei der großen Verkehrsblockade in Kiel durch TKKG genauso wie bei der Blockade der Düngemittelfabrik in Brunsbüttel von Free the soil. Mittlerweile hat sich die Klimabewegung aufgefächert, in ihren Themen, Organisations- und Aktionsformen, und der Druck wächst. Dass dabei bei Vielen auch die Einsicht, dass der Klimawandel nur durch eine Änderung des gesellschaftlichen Systems nachhaltig gestoppt werden kann, keimt, ist logische Konsequenz der aktuellen Erfahrungen angesichts einer Menschheitskrise.
Als LINKE begleiten wir diese Proteste, bringen Anliegen in den Bundestag ein, hören zu und unterstützen, wo gewollt und nötig. Denn wir wissen, was Oscar Wilde in seinem Essay „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“ so treffend formuliert hat:
„Ungehorsam ist für jeden, der die Geschichte kennt, die eigentliche Tugend des Menschen. Durch Ungehorsam entstand der Fortschritt, durch Ungehorsam und Aufsässigkeit.“